Von Pralinen, Paragleiten und andere Passionen

Rolf Sauer, der Bäcker-Meister hinter den Biskuit-Eiern

Das Gebäck klingt Französisch, stammt aber aus dem Lateinischen und hieß schon vor zwei Jahrtausenden „bis coctus“, ein „zweimal gebackenes Brot“.

 

Bestandteile des Biskuits sind Eischnee, Eigelb, Zucker und Mehl. Und die Biskuit-Eier, wie sie traditionell zu Ostern auch in Bischofsheim gebacken werden, sind innen mit Aprikosenkonfitüre und außen mit Schokoladenbezug verfeinert. Sie stammen von Bäcker-Meister Rolf Sauer und der hat das Rezept vom Großvater geerbt und feiert dieser Tage das Hundertjährige der süßen Köstlichkeit, die ein Teil seiner Biografie geworden ist. Oma und Opa hatten in Mainz eine Bäckerei, in die sein Vater „eingeheiratet“ und als Drehermeister mit einer „Blitzlehre“ das Geschäft übernommen hat. 1950 wird Sohn Rolf geboren und wächst in der Backstube bei Großvater Hermann Schneider und Mutter Christa auf. 

 

Von der Handelsschule zum Herrn der „Hochzeitstorten“

Nach der Handelsschule in Rüsselsheim begann Rolf Sauer mit 16 Jahren eine Konditorlehre, durchlief die Praxis im Cafe Buschmann in Wiesbaden, beim Cafe Österreich in Kostheim und im Dom-Cafe in Mainz. Als Geselle wurde er Landessieger in Hessen und war auch bester des Jahrgangs bei der Meisterprüfung. Eigentlich wollte er Berufsschullehrer werden, aber der Vater fiel krankheitsbedingt aus und der Sohn musste aushelfen. Daraus wurden mehr als vier Jahrzehnte, in der die Bäckerei Schneider, wie sie bis zuletzt geheißen hat, zur ersten Adresse für Backwaren und Süßigkeiten avancierte. Mit einer neuen „Pralinenüberzugsmaschine“ kam seine kreative Ader zum Zuge und bis zum heutigen Tag ist er nicht nur „Conditor-Meister“ („Schreib‘s bitte mit C, der Tradition wegen“) für „Biskuit-Eier“, sondern Herr der „Hochzeitstorten“.

 

Familien-Mensch mit Freundes-Kreisen

Bei all den Besonderheiten des Berufes muss wohl aber auch die „dunkle Seite“ des Bäckerhandwerks berücksichtigt werden. Wenn andere erst zu Bett gehen, dann war es für Rolf Sauer Zeit aufzustehen, um Teig zu rühren, den Ofen anzuheizen und Brot und Brötchen zu backen. Für einen, der voller Lebenslust steckt, nicht immer einfach. Und offenbar nur dann machbar, wenn die Familie mitmacht. In Ellen Krahnen aus Gustavsburg fand er sie oder sie ihn, und zwar beim Freizeitvergnügen draußen am Ginsheimer Sand. Die Leichtathleten der Sportvereinigung 1907 waren für eine Zeitlang so was wie eine zweite Familie, sportlich beim Laufen und wegen des Miteinanders. Die Familie umfasst heute nicht nur die erwachsenen Söhne Malte und Sören, sondern mittlerweile auch zwei Enkel.

 

Einen Ausgleich fand Rolf Sauer auch beim Skifahren, vor allem aber beim Paragleiten, mal im Stubaital, mal auf Mallorca und einmal auch in Hongkong. Mit dem Gleitschirm zu fliegen, „das war die schönste Zeit im Leben“, sagt er. Und immer wieder war es die Musik, die in prägte. Kein Wunder, Vater Hennes Sauer war Teil der legendären „AH-Combo“, wo er auch schon mal als Jüngster bei den „Alten Herren“ eingesprungen ist. Die Backstube war auch Proberaum der in Bischofsheim bestens bekannten Rock’n-Roll-Oldie-Band „Out of Time“, die sich später in „Jever“ umtaufte. Auch der „Kunstwürfel“ wurde von Rolf Sauer mit ins Leben gerufen.

 

Backen für die Bahn

Und von noch einer Passion ist zu berichten, die ihn ein Leben lang getrieben hat: Die Faszination der Eisenbahn. Die erste Modellanlage schenkte sich sein Vater Weihnachten 1950, da war der kleine Rolf gerade mal drei Monate alt. Kein Wunder, dass er sich in seiner Eisenbahnergemeinde um die Zukunft des Bahnhofs gekümmert hat. Er engagierte sich für den Erhalt des Rundlokschuppens, mit den Handwerksbetrieben Ribbe und Reeg für das Trafohaus. Anlässlich der Kampagne „Nein beim Bürgerentscheid! Ja zum Lehrstellwerk!“ geht er wieder in die Backstube und macht mit einer Ausstechform von Jürgen Schaffner vom Repair-Cafe Plätzchen mit den Konturen des Wasserturms. So gibt es dieses Jahr nicht nur Biskuit-Eier für Ostern, sondern auch Gebäck zum Erhalt einer weiteren Tradition.

 

Professor Dr. Wolfgang Schneider


Die Bestellung von Biskuit-Eiern ist unter folgender Rufnummer möglich: 0173-3083070 (leider hat sich beim Abdruck in der letzten Ausgabe ein Zahlendreher eingeschlichen). Falls ihr Rolf nicht erreichen konntet –einfach mit dieser Nummer probieren. Lasst euch die Eier schmecken!




21.03.2024