„Es geht um unser kulturelles Gedächtnis“

Ein Gespräch mit Professor Dr. Wolfgang Schneider über eine Ausstellung zum Welt-Dokumenten-Erbe

Herr Professor, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, UNESCO, hat dich jüngst in die Nationalkommission der Bundesrepublik Deutschland für das Weltdokumentenerbe berufen. Gratulation, verbunden mit der Frage, um was geht es da?

Neben dem Weltkulturerbe wie dem Tempel von Abu Simbel, den Lagunen von Venedig oder dem Kölner Dom, gibt es noch eine Konvention zum Immateriellen Kulturerbe, die kulturelle Ausdrucksformen wie Bräuche, Darstellungen und Fertigkeiten auflisten, wie etwa die Peking-Oper, die Yoga-Lehre oder das neapolitanische Pizzabacken. Deutsche Beispiele sind das Genossenschaftswesen, Orgelbau und Orgelmusik sowie die Praxis des modernen Tanzes. Das UNESCO-Programm „Memory of the World“ verzeichnet zusätzlich dokumentarische Zeugnisse von außergewöhnlichem Wert für die Menschheitsgeschichte.

 

Woran soll erinnert werden und was ist der Auftrag der kulturpolitischen Initiative?

Es gilt Dokumente zu sichern, zugänglich zu machen und das Bewusstsein für ihre Bedeutung zu erhöhen. Die fast 500 Dokumente aus aller Welt rufen Wendepunkte der Geschichte in Erinnerung und sind Wissensquellen für die Gestaltung heutiger und zukünftiger Gesellschaften.

 

Deutschland ist mit 24 Einträgen im Register des Weltdokumentenerbes vertreten, welche sind das?

Es handelt sich um unterschiedliche Dokumente aus mehreren Epochen, Lebens- und Kulturbereichen, unter anderem das Nibelungenlied, Goethes literarisches Nachlass, das Patent von Carl Benz für das Automobil, die Schriften von Karl Marx, Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ oder die Himmelsscheibe von Nebra.

 

Für die Vernissage in der Bücherei hast du ein besonderes Programm zusammengestellt, bei dem ausgewählte Dokumente von lokalen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vorgestellt werden. Wen und was darf das Publikum erwarten?

Die zwei Dutzend Dokumente aus Deutschland sind auf Plakaten zu bestaunen, verbunden mit erläuternden Informationen. Lebendig werden die Artefakte aber durch die kurzen Präsentationen der Paten. Ich freue mich sehr auf die Bischofsheimer, die spontan zugesagt haben: Allgemeinmediziner Dr. Oliver Bresler, der nützliches Wissen aus dem Lorscher Arzneibuch aus dem 8. Jahrhundert vortragen wird, Pfarrer Bardo Maria Haus, der aus der Gutenberg-Bibel liest und Pfarrerin Katharina Meckbach, die aus den 95 Thesen von Martin Luther zitiert. Mit dabei ist auch Staatsanwalt a.D. Manfred Stotz, der Einblicke in die Unterlagen zum Frankfurter Auschwitz-Prozess gewährt. Unterhaltsam wird sicher die Lesung eines der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm von Edelgard Rabe und die musikalische Begleitung durch Stefan Finkenauer, der sowohl Ausschnitte aus der H-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach zu Gehör bringt als auch zum Schluss mit allen Anwesenden Beethovens 9. Sinfonie mit dem Text von Friedrich Schiller singen wird.

 

Und was hat das alles mit der Mainspitze zu tun?

Gute Frage und die Antwort lautet: Sehr viel! Denn auch wir pflegen unser kulturelles Gedächtnis, zu Hause in Fotoalben, auf unseren Handys und auf dem Laptop, aber eben auch in den Heimatmuseen, im Liedgut der Gesangsvereine, mit der Literatur in der Bücherei. Keine Zukunft ohne Herkunft, und auch die Ausstellung ist ein Beispiel für kulturelle Bildung, international, national, aber eben auch kommunal.

 

Schönen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit der Ausstellung.

 

Das Gespräch führte Axel S.


Welt-Dokumenten-Erbe

Eine Ausstellung der Deutschen UNESCO-Kommission

Vernissage am Freitag, 31. März 2023, um 18 Uhr in der Bücherei Bischofsheim

In Kooperation mit dem Heimat- und Geschichtsverein

Der Eintritt ist frei!




23.03.2023