Freistehende Solaranlage oder rollbarer Carport?

Die Stadtverwaltung Ginsheim-Gustavsburg bezeichnet das Bauwerk, welches Wolfgang Friedrichs Auf dem Wingert in Ginsheim konstruierte, als „Carport“ und verlangt den Rückbau. „Einen Carport auf dem genannten Grundstück zu errichten ist nach den Vorgaben des für das Gebiet bestehenden Bebauungsplans in Verbindung mit der Stellplatzsatzung nicht zulässig“, begründet die Stadtverwaltung. „Das ist kein Carport, sondern eine freistehende Solaranlage“, argumentiert hingegen Wolfgang Friedrichs, dessen Antrag auf einen Carport das Bauamt vor rund zehn Jahren ablehnte. „In den vergangenen Jahren stand hier ein Zelt. Als unser Bundeskanzler die Zeitenwende verkündete und der Wirtschaftsminister die Bürgerinnen und Bürger aufforderte, Energie zu sparen, entschied ich mich, diese freistehende Solaranlage in Eigenleistung zu bauen“, erinnert sich Wolfgang. Seine Planungen starteten im April 2022. Eine Nachricht der Stadtverwaltung erhielt er bereits, als die Baumaterialien auf seinem Grundstück lagerten. „Ich wurde aufgefordert, die Arbeiten am Carport sofort einzustellen und antwortete »ich baue etwas anderes«“, erzählt Wolfgang Friedichs kopfnickend. Im November nahm er die Solaranlage in Betrieb, die seitdem 40 bis 50 Prozent seines Strombedarfs deckt. Die Stadtverwaltung informierte daraufhin die Bauaufsicht in Groß-Gerau. 

Viel Spaß mit dem ersten Kapitel der Geschichte über Solarzellen, Holzbalken und Rollen Auf dem Wingert 16 A.

Entspannt und fröhlich erklärt mir Wolfgang Friedrichs seine freistehende Solaranlage auf Rollen. Für Holz und Solarpanels habe er rund 5.000 € bezahlt. Als Ingenieur für Elektrotechnik im Ruhestand sei es für ihn einfach gewesen, die Anlage zu konstruieren. Die ihm vorgeworfene Illegalität sieht er nicht bestätigt. „Es handelt sich um eine freistehende Solaranlage, die ich nach den Buchstaben des Gesetzbuches aufgebaut haben. Für Standsicherheit bot ich sogar ein TÜV-Gutachten an“, beschreibt Wolfgang seine Sicht der Dinge und weist zudem darauf hin, dass er auf seinen genehmigten Stellplatz selbstverständlich ein Fahrzeug – wie beispielsweise seine Solaranlage auf Rollen – stellen dürfe. Nein schreibt dazu die Stadtverwaltung GiGu: „Der Eigentümer hat sich über die Vorgaben hinweggesetzt und für die Errichtung eines Carports ein Bauwerk auf Schwerlastrollen erstellen lassen. Auch wenn im Baurecht bauliche Anlagen als Anlagen definiert sind, die „mit dem Erdboden verbunden sind und aus Bauprodukten bestehen“, kann die baurechtliche Regelung nicht umgangen werden, denn eine Verbindung mit dem Erdboden besteht auch dann, wenn „die Anlage durch eigene Schwere auf dem Erdboden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest genutzt zu werden“, so das Statement der Pressestelle GiGu, indem Wolfgang Friedrichs Bauwerk ausschließlich und wiederholt als „Carport“ bezeichnet wird. „Es besteht also baurechtlich nicht die Voraussetzung, den bereits aufgestellten Carport nachträglich zu genehmigen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass auf dem Carport eine Solaranlage errichtet wurde“, betont die Stadtverwaltung, die ein bei Dunkelheit aufgenommenes Foto an die Zeitungsredaktion mitschickte, auf dem ein rotes Opel-Fahrzeug mit etwas Schnee auf dem Autodach unter der Konstruktion stand, die die Stadtverwaltung als „Carport“ und der Eigentümer als „Solaranlage“ bezeichnet. 

 

„Ich lege Widerspruch ein“

„Wir sollen alle etwas tun, und wenn dann jemand etwas macht, wird er zurückgepfiffen“, zitiert Wolfgang Nachbarn, die ihn mit Werkzeugen und Manpower bei seinem Bauprojekt unterstützen. Negative Rückmeldungen aus der Nachbarschaft habe es nicht gegeben. „Im Gegenteil. Einige bestärken mich sogar mit den Worten »zieh das durch«“, so Wolfgang, der gerade die Rückbaufrist der Bauaufsicht verstreichen lies. „Ich sollte meine mobile Solaranlage bis zum 30.03. zurückbauen. Jetzt warte ich auf den Bescheid für einen zahlungspflichtigen Rückbau, gegen den ich dann Widerspruch einlege“, sagt er ruhig. Im Baurecht seien Garagen, Carports und freistehende Solaranlagen unterschiedlich aufgeführt. Dies wäre nicht der Fall, wenn es keine Unterschiede gäbe, betont der Ingenieur für Elektro- und Informationstechnik im Ruhestand, während er zufrieden auf seine Konstruktion schaut und sagt: „Der Aufwand hat sich gelohnt. Die Anlage erzeugt sauberen Strom, sie entspricht der Gesetzgebung und beeinträchtigt niemanden“.

 

Persönliches Gespräch ja oder nein?

Unterschiedliche Auffassungen herrschen auch darüber, ob ein klärendes Gespräch stattgefunden habe. Während Bürgermeister Thorsten Siehr (SPD) auf ein kurzes Gespräch bei einer Veranstaltung der Energiegenossenschaft verweist und sagt „... bin ich gerne bereit, ihm auf Wunsch die Hintergründe noch einmal persönlich zu erläutern“, verneint Wolfgang Friedrichs eine Kontaktaufnahme durch den Bürgermeister. „Mir wurde mitgteilt, dass er (Thorsten Siehr) sich bei mir melden wolle, aber es gab keinen Anruf, keinen Brief und keine Mail. Letzteres wäre einfach möglich gewesen, weil der Bürgermeister den Schriftverkehr stets in E-Mail-Kopie erhielt“, so Wolfgang, der sich kurz vor Ende des Pressetermins doch noch an einen Brief des Bürgermeisters erinnerte: „Ende letzten Jahres wünschte er Frohe Weihnachten und warnte mit einem Flyer vor BlackOuts (flächendeckende Stomausfälle). Damals dachte ich »gut, dass ich vorgesorgt habe«“, so Wolfgang Friedrichs abschließend.

Axel S.

Direkt hinter Wolfgangs Konstruktion befindet sich eine „Wetterstation“, deren Aufschrift zum Interview passte. Ich empfand ihn als realistisch, humorvoll – und keinesfalls als Querulanten. Dazu passt, dass er in seinen Ausführungen stets respektvoll über die Verwaltungen sprach und es sich um seinen ersten Konflikt mit der Bauaufsicht handelt.




06.04.2023