„EINE STUNDE LANG TAT ES RICHTIG WEH!“ – Ingo Kalweit startet ehrlich ins Pressegespräch. Am 26.03. verlor er mit 49,54 % die Stichwahl gegen Lisa Gößwein (SPD). Mit seiner Verabschiedung am Mittwoch (28.06.) und Lisas Amtseinführung am Donnerstag (29.06.) endet seine Zeit als Bürgermeister von Bischofsheim. „Vieles war richtig gut“, sagt er im Rückspiel, räumt aber ein: „Eine Sache kann ich besser!“
Auf der einen Seite jubeln deine Fans – auf der anderen ertönen die Buhrufe der Gegner. Das knappe Wahlergebnis drückt aus, was Bürgermeister auf dem Spielfeld aushalten: Der Tritt gegen den Ball kann im Tor, im Aus oder als Eigentor enden. DENN: Die Windverhältnisse sind nicht vorhersehbar.
2003 trat Ingo Kalweit in die CDU ein. Ihm imponierte der kommunalpolitische Einsatz seiner Mutter, die sich als CDU-Gemeindevertreterin auch mal zur Bürgermeisterwahl stellte. Damals wählten die Gemeindevertreter – und nicht die Bürger – das Gemeindeoberhaupt. Ihr Gegenkandidat hieß Thomas Will (SPD). Indem sie nach mehreren Wahlgängen ihre Kandidatur zurückzog, verhinderte sie seine Wahl – 1:0 für Familie Kalweit. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Thomas seit 2010 Landrat des Kreises Groß-Gerau ist. Also: Ausgleichstreffer – es steht 1:1.
2017 holt Ingo Kalweit auf. Der studierte Jurist gewinnt die Stichwahl gegen die Amtsinhaberin Ulrike Steinbach (SPD) und wird Bürgermeister von Bischofsheim: 2:1.
Verlegenheitsstudium
Viele vermuten, dass Ingo Kalweit Jura studierte, weil er bereits nach seinem Abi mit Profi-Politik liebäugelte. „Neeeeee“, stellt er kopfschüttelnd klar. Astrophysik, Architektur und Molekularbiologie redeten ihm seine Eltern aufgrund mangelnder Begeisterung für Mathematik erst aus, bevor er die „Schönheit des Rechts“ in seinem – wie er es nennt – „Verlegenheits-Jurastudium“ erkannte. Seit 2008 engagierte er sich als Gemeindevertreter von Bischofsheim. Etwas später wurde er Mitarbeiter der Landtagsabgeordneten Sabine Bächle-Scholz (CDU). Er erkannte die politische Gestaltungsmöglichkeiten von Bischofsheim. „Ich brenne für den Ort. Bis heute bin ich der festen Überzeugung: Bischofsheim kann mehr – darum wollte ich Bürgermeister werden“, erinnert sich Ingo.
Kleine Dinge – großer Wert
In seine Amtszeit fallen Bauprojekte wie das Theodor-Heuss-Karree, die Kita auf dem alten Sportplatz, die Fertigstellung des Kunstrasenplatzes der SV07, der Spatenstich zum Kunstrasenplatz der Gemeinde sowie die Erhöhung der Steuereinnahmen durch das neue Gewerbegebiet „In der Tagweide“. Als Ingo Kalweit kleinere Einzelprojekte aufzählt, wird das Pressegespräch besonders lebendig: Die Zusammenarbeit mit dem Spielplätze e.V., die Pumptrack-Anlage, die Weihnachtsbaum-Aktion – alles Begegnungen mit Bischofsheimern, die einen Platz in seiner Schatzkiste für Erinnerungen fanden.
„Das soziale Gefüge zu stärken stand auf meinem Plan für die nächsten sechs Jahre.“ Nicht nur bei der Kerb fiel Ingo immer wieder auf, dass Vereine über Mangel an freiwilligen Helfern klagten. „Mit der Botschaft »Gebt mehr ins System rein, als ihr raus bekommt« hätte ich die Menschen gerne aktiviert. Leider ist mir dies nicht in dem Umfang gelungen, den ich mir für Bischofsheim gewünscht habe“, gesteht sich Ingo Kalweit ein.
Der Wahlabend
„Ich gehe mit 60% über die Ziellinie“, dachte Ingo, bevor die Partie ums Bürgermeisteramt mit der Stichwahl zwischen Lisa und ihm in die Verlängerung ging. Mit weniger Überzeugung beobachtete er am Abend der Entscheidung die eintreffenden Wahlergebnisse auf der Leinwand im Bürgerhaus – und zack: Gegentor! Als er – zu Hause angekommen – die vergangenen sechs Jahre Revue passieren lies, dämmerte ihm der Vorteil des Wahlausgangs: Der Druck war auf einmal weg. Die Freiheit kehrte zurück, denn 60 bis 80 Wochenstunden ließen hierfür keinen Raum. Auch die Perspektive, mehr Zeit mit seiner Tochter zu verbringen, versüßte ihm den Ausblick auf die Zeit nach dem Amt.
Und jetzt?
Nach den Tabellenpunkten dieses Artikels steht es – Stand heute – 2:2. Überlässt Ingo Kalweit das Bischofsheimer Spielfeld jetzt anderen oder tritt er in sechs Jahren enreut an? „Nein, meine Frau würde die Scheidung einreichen“, antwortet er spontan, bevor er erneut beginnt, von dem Potential seiner Heimatgemeinde zu schwärmen. Sein Funkeln in den Augen – und die Tatsache, dass auch Thorsten Siehrs Frau nach der Wahlniederlage in 2015 angeblich mit Scheidung drohte, würde der heutige Bürgermeister von GiGu erneut kandididieren – zeigt mir, dass noch alles offen ist. Auch Miriam und Thorsten Siehr sind heute noch glücklich verheiratet.
Abschließend richtet Ingo Kalweit das Gespräch auf seine Familie: „Ich bin dankbar, dass meine Frau das auf politischer Ebene „mitgetragen“ und meine Tochter es „ertragen“ hat. Es ist kein Beruf, sondern Berufung. Die Aufgabe des Bürgermeisters ist etwas ganz Besonderes.“
Axel S.
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