500 Quadratmeter Wohnfläche auf zwei Etagen – lautet das Ziel von Daniela und Thomas Richter, die dem Bischofsheimer Rundlockschuppen seit einigen Jahren mit umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten Stück für Stück neues Leben einhauchen. Neben dem Wohnbereich plant das Paar eine Eventfläche und eine Werkstatt. Wer Größenwahn vermutet irrt. Liebe zum Detail, Respekt vor Vergangenem und ein akribisch durchdachtes Raumkonzept bilden die Basis für Danielas und Thomas‘ Vision, künftig im Industriedenkmal am Gerauer Weg 26 – gemeinsam mit den Meerschweinchen Billi und Tim – zu wohnen.
Viel Spaß beim Rundgang durch ein halbrundes Gebäude, in dem die zukünftigen Bewohner mit 100prozentiger Ernsthaftigkeit bereits 20 Prozent ihrer Ideen Wirklichkeit werden ließen.
In einem so hervorragenden Zustand hatte ich den 1904 erbauten Lokschuppen nicht erwartet. Die Glasfassade auf der Rückseite ist perfekt, runde Fenster zieren die historischen Bögen, in Teilen des Wohnbereichs liegt bereits Parkett und die Fußbodenheizung funktioniert. Daniela und Thomas Richter gelingt mit der Sanierung eine sensationelle Symbiose von historischer Industriekultur und außergewöhnlichem Lebensraum. „Die Deckenkonstruktion aus Stahl gab vor, wo Wände eingezogen werden können“, erzählt Thomas Richter, der fast über die komplette Fläche von Werkstatt über Eventbereich bis hin zur Wohnung eine zweite Ebene einzog. Beim zukünftigen Wohnzimmer, welches sich ganz am Ende des Lokschuppens befindet, enden die Etagen. Das Untergeschoss mit Schlaf-, Badezimmer und Küche ragt in die riesige Loft-Wohnhalle hinein und bildet damit eine Empore. Verbunden ist diese mit dem Wohnbereich über eine gusseiserne Wendeltreppe. „Uns ist wichtig, dass sich der Industriestil fortsetzt. Die Treppe passt zu den genieteten Stahlträgern. Auch in Sachen Beleuchtung entschieden wir uns für Industrielampen“, berichtet Thomas, der alle Lichter mit neuen Fassungen, Kabeln und LED-Birnen modernisierte.
Die Dimensionen des Wohnzimmers hängen übrigens mit der Außenwand zusammen. „Wir wollten diese unbedingt in voller Pracht erhalten und sichtbar machen“, so Thomas. Herzstück der lokschuppenhohen Wohnhalle ist ein tiefer, runder Einlass im Boden mit zwei Meter Durchmesser. „Wir mögen Pflanzen und werden uns in diesem »Blumentopf« einen Baum ins Wohnzimmer stellen. Er ist so groß, damit die Wurzeln Platz haben“, freuen Daniela und Thomas sich auf den blättrigen Mitbewohner. In den normalhohen Räumen wie Küche, Bad und Schlafzimmer setzt sich die Mischung aus Modernem und Historischem fort. Die Ausstattung der Küche entspricht zwar dem neuesten Stand, aber Radio, Schränke und Telefon stammen aus vergangenen Tagen. „Das Telefon ist unkaputtbar und es gibt noch Ersatzteile dafür“, sagt Thomas, der sich auch bei den Lichtschaltern für Drehknöpfe entschied. Für Tageslicht sorgen Fenster zur Wohnhalle.
Als mega praktisch empfinde ich den Bereich, den Daniela und Thomas als „Garage“ bezeichnen. Was für mich eher wie ein Parkhaus anmutet, ist ein von außen befahrbarer Raum, der zwischen Wohnung und Werkstatt unter der Eventfläche im Obergeschoss liegt und jeweils mit einer Tür verbunden ist.
Im oberen Wohnbereich befindet sich neben einem Arbeits- und Gästezimmer – mit Panoramablick auf die Bahn – ein großer Lagerraum. „Wir haben keinen Keller oder Dachboden und benötigen Stauraum. Zudem werden wir uns hier irgendwann einmal ein Privatkino einrichten“, so das Paar.
Musikautomaten von früher
Wer Thomas Richter öfter trifft, dem wird seine Latzhose auffallen. Jedes Mal, als ich ihm begegnete, trug er sie: Beim Zeitungs-Interview und vor rund zwölf Jahren, als er mir bei einer Veranstaltung im Bischofsheimer Trafohaus als ein „Verrückter, der den Lokschuppen kaufen, dort wohnen und Musikautomaten reinstellen möchte“ vorgestellt wurde. Dass Thomas damals wie heute bei Verstand ist, zeigt sich nicht nur an der Umsetzung seiner Lokschuppen-Vision, sondern auch in seinem Beruf. Der gelernte Schlosser und Flugzeugmechaniker spezialisierte sich auf die Restauration von Musikautomaten, bei denen es sich um deutlich mehr als nur um Jukeboxen handelt. Wie in einem Museum führte mir Thomas mechanische Spieluhren und pneumatische Klaviere vor, deren Funktionsweise er bis ins letzte Detail beschreiben, reparieren und restaurieren kann. Weltweit gibt es nur wenige mit dem Spezial Know-How von Thomas Richter.
Ruhe pur
„Früher wohnte ich in Frankfurt an einer Hauptstraße in der Nähe einer Ampel. Diese Geräuschkulisse empfand ich als störend“, erinnert sich Daniela, die sich auf die Wohnlage am Bischofsheimer Ortsrand freut. Auch wenn die Züge nur 150 Meter entfernt sind, höre man durch die gut isolierten Fenster nichts. Im Garten sei das zwar anders, aber wer nach Bischofsheim in einen alten Lokschuppen zieht rechne mit Geräuschen der Eisenbahn.
Daniela und Thomas Richter schauen in eine Wohnzukunft, die Historisches mit Modernem verbindet und den Begriff Homeoffice neu definiert. Denn: Thomas’ heimischer Arbeitsplatz ist nicht nur mehr als eine Werkbank im Keller, sondern er sorgt zudem für die passende Begleitmusik.
Unterstützen könnt ihr Daniela und Thomas mit alten Bildern des Lokschuppens.
Axel S.
In der Serie »Wohnen in der Mainspitze« stellen wir Menschen aus Ginsheim, Gustavsburg und Bischofsheim vor, die in besonderen Behausungen oder an exponierten Orten leben.
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