Vereinsmensch und Fernreisender

Willi Wolf feierte seinen 88. Geburtstag in Thailand

Willi Wolf mit Bischofsheimer Teller: Alte Schmiede an der S-Kurve, nach einem Motiv von Georg Mangold

Wir treffen uns beim Einkaufen. Auf der Suche nach der Hymne der Sportvereinigung 1907 kann Willi Wolf wichtige Hinweise geben, er ist seit 77 Jahren dort Mitglied. Gesucht werden Text und Melodie für die Eröffnung des 3. Bischemer Kultursommers, um diese bei der Verleihung des Bürgerpreises einzuspielen. Auch Willi Wolf hat diese Auszeichnung schon erhalten; denn er ist ein treuer Vereinsmensch – und kann als ehemaliger Fußballer und leidenschaftlicher Sänger helfen. Zu Hause bei ihm auf dem Sofa singt er „Ein weißes Höselein, ein rot-weiß Trikotlein“. Und übers Telefon wird das Ganze in einem Tonstudio zu einer Audiodatei generiert.

 

Der alte Wolf: Schmied mit „Kapp und Stumpe“ 

Sein Zuhause ist in der Weisenauer Gasse, auf einem großen Grundstück, auf das er mit drei Jahre ziehen musste, weil sein Elternhaus „der Spitzhacke zum Opfer fiel“, um die berüchtigte „S-Kurve“ mitten im Ort zu begradigen. Sein Vater war der „Schmidde Jaap“, allseits bekannt mit „Kapp und Stumpe“, ein „Bischofsheimer Original“. Als Schmied, immer mit Zigarre im Mundwinkel, kümmerte er sich um das Beschlagen der Pferde, die in der Landwirtschaft der Nachkriegszeit Mobilität ohne Motor möglich machten. Jakob heiratete Margarethe aus Michelbach im Odenwald und vier Kinder gingen aus der Ehe hervor: Heinrich, Hans, Irmgard und am 16. Juli 1936 Willi. 

 

Der letzte Lebende der Wölfe zeigt mir nicht nur den Schuppen, in der er gelernt hat, bevor er beim Kupferwerk und später bei Opel Arbeit fand. Stolz präsentiert er mir ein Modell der Schmiede, ein Geschenk von Malermeister Josef Haus zum 95. Geburtstag seines Vaters und ein Gemälde von Jakob Wolf, dem Zweiten, wie er ausdrücklich hinzufügt, welches das alte Gebäude an der Chaussee, der heutigen Darmstädter Straße in Höhe der Volksbank zeigt. Ansonsten verweist er auf Mitbringsel aus der weiten Welt: Bambus aus Vietnam und Marionetten von Myanmar, ein namibisches Nashorn aus Speckstein und australische Holzkunst der Aborigines, chinesisches Papier und usbekische Kacheln, Getöpfertes und Gewebtes aus südamerikanischen Ländern. 

 

Der junge Wolf: Liebhaber asiatischer „Lobster“

Denn bei aller Heimatliebe, Willi Wolf ist ein Weltenbummler, langjährig mit den „Bischofsheimer Reisefreunden“ auf allen Kontinenten, und zeigt Fotos mit Geschichten vom Kap der guten Hoffnung, Machu Picchu und Tadsch Mahal. Die asiatische Kultur hat es ihm besonders angetan, „alle dort sind so freundlich“ und Wetter, Wasser und Wok sehr besonders. So war er vier Jahrzehnte auf Sri Lanka und drei Dutzend Mal in Thailand, auch in diesem Monat anlässlich seines 88. Geburtstages. Und ließ sich einen ganzen „Lobster“ servieren, mit den Worten: „Ich bin ja nicht verheiratet und kann es mir glücklicherweise leisten!“ 

 

Zuhause auf dem Wohnzimmertisch liegen Dokumenten zum Vereinsmenschen Willi Wolf. Mit Ehrfurcht zeigt er mir „die letzte Nadel“ vom Sportclub Teutonia, dem Vorgängerverein der SV07, Anstecker in Gold vom Vogelzucht- und Schutzverein und zahlreiche Urkunden des Männergesangvereins Germania. Der war jahrzehntelang zur Kerb bei ihm im Hof, für die hat er bei Umzügen den Traktor der Festwagen gefahren. Ob im Kegelclub oder beim Jahrgang, Willi Wolf war gern gesehener Conferencier und ist immer für einen Spaß zu haben, zur Fassenacht bei Heide Kröcker als „Der weiße Riese“, bei einem Vereinsausflug als Bräutigam einer „Scheinhochzeit“. Eben ein Leben in Gesellschaft. 

 

Professor Dr. Wolfgang Schneider



25.07.2024