345 Hühner auf einem Hektar Land

Guthmann Söhne sorgen für Ei-Catcher in Bischofsheim

von links nach rechts: Auszubildender Jan Tewes, Schülerpraktikantin Ina Sommer, der freiberufliche Sozialarbeiter Wolfgang „Wolle“ von Montz, und Landwirt Klaus Guthmann.

 

Wegschauen unmöglich: Direkt an der Landstraße zwischen Bischofsheim und Bauschheim spazieren seit August weiße Hühner im grünen Gras um ihr wohncontainerartiges Domizil. Die prominente Lage geht auf die bewusste Entscheidung von Landwirt Klaus Guthmann und seinem Kooperationspartner Wolfgang von Montz zurück. „Wir wollen nur in zweiter Linie mit dem Verkauf von Eiern Geld verdienen. Unsere Priorität ist Umweltbewusstsein nach außen zu tragen und transparent die Vorteile von Direktvermarktung darzustellen“, so der freiberufliche Sozialarbeiter Wolfgang von Montz, den jeder auf dem Tannenhof der Guthmänner ausschließlich „Wolle“ nennt. Was vor rund drei Monaten als kleines Einsteigerprojekt begann, entwickelte sich schnell zu einem Hühner-Hit. Die Nachfrage übersteigt die Anzahl der gelegten Eier, die Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Sozialarbeiter beflügelt das Tannenhof-Team und Kunden freuen sich darüber, die Hühner, deren Eier sie essen, persönlich kennenzulernen.

 

Schön länger liebäugelte Landwirt Klaus Guthmann mit dem Gedanken, Legehennen auf seinem Bischofsheimer Bauernhof zu beherbergen. Aus den unterschiedlichsten Gründen entschied er sich jedoch immer wieder dagegen. „Einmal öffnete ich das Hallentor und blickte in strömenden Regen. Als ich mir vorstellte, dass ich jetzt raus zu den Hühnern müsste, dachte ich »das ist nicht das Gelbe vom Ei«“, erinnert sich Klaus, der kurz darauf von seinem neuen Geschäftspartner Wolfgang von Montz umgestimmt wurde. „Ohne Wolle hätten wir das nicht gemacht. Ich bin sehr glücklich über die Situation und dankbar für die Leidenschaft, mit der sich Wolle hier einbringt“, so Klaus Guthmann.

 

High-Tech-Stall mit Elektrozaun

Herzstück der ein Hektar großen Freilandfläche ist ein Hühnerstall auf Rädern, der von außen deutlich unscheinbarer aussieht, als er in Wirklichkeit ist. Im Inneren lädt die großzügige Behausung die Legehennen auf drei Stockwerken dazu ein, sich frei zu bewegen. In jeder Etage befinden sich Sitzstangen, die vollautomatische Futterversorgung gibts unten, frisches Wasser in der Mitte und verdunkelte Legenester ganz oben. „Die Hühner folgen hier ausschließlich ihrem natürlich Instinkt. Hühner ziehen sich vorm Legen der Eier zurück und suchen daher freiwillig den dritten Stock auf, aus dem die gelegten Eier voll automatisch in den Eiersammelraum transportiert werden“, erklärt Wolfgang von Montz, während er die gelegten Eier einsortiert. Aus hygienischen Gründen sind Stall und Eiersammelraum natürlich von einander getrennt. Zudem nutzt das Guthmann-Team die Räder des mobilen Hühnerstalls, um diesen wöchentlich an eine andere Stelle der Freilandfläche zu ziehen. „Obwohl die Hühner viel Platz haben, befinden sie sich meistens in der Nähe des Stalls. Dort stellen sie sich unter und finden Schutz vor Greifvögeln. Das Verändern der Stallposition verbessert die Sauberkeit, gibt dem Gras die Möglichkeit nachzuwachsen und ermöglicht uns Landwirten der ökologischen Pflicht der Weidenpflege gerecht zu werden“, zählt Klaus Guthmann auf. Auch die Tür zum Hühnerstall muss nicht von Hand geöffnet werden. „Die Auslaufklappe öffnet sich jahreszeitabhängig und geht aktuell gegen 10 Uhr auf. Durch die Dämmerungsautomatik beginnt sie sich bei Einbruch der Dunkelheit langsam wieder zu schließen“, berichtet Wolfgang. Damit auch hier die Hühner ihrem natürlichen Instinkt folgen, brennt das Licht im Hühnerstall länger, als es draußen dunkel wird. „Die Hühner suchen das Licht und suchen am Abend von sich aus ihren Stall auf, bevor sich die Auslaufklappe schließt“, so Wolle. Den Strom für Licht, Lüftung, Futterkette, Mistabfuhr und Temperaturregelung erzeugen die Solarzellen auf dem Dach des Hühner-Wagens, wodurch der Stall 100 % autark von externen Stromquellen ist. Auch in Sachen Futter achten Hühnerhalter auf Nachhaltigkeit und beziehen das Getreide von einem Landwirt aus Trebur. Aufgrund des großen Silos muss dieses nur einmal pro Woche im High-Tech-Stall nachgefüllt werden.

Der Elektrozaun, der das Gelände umgibt, dient übrigens nicht dazu, die Hühner im Zaun zu halten. „Die Legehennen haben keinerlei Motivation abzuhauen. Der Zaun hält natürliche Fressfeinde wie Fuchs und Marder ab“, erklärt Wolle.

 

Warum sind die Eier weiß?

Laut Lied der »Comedian Harmonists« legt ein Huhn acht Eier pro Woche: „Täglich nur ein Ei und sonntags auch mal zwei.“ Davon, dass die Hühner des Tannenhofs deutlich weniger Eier legen, können Wolfgang und Klaus ein Lied von singen. Rund 250 Eier trägt Wolfgang von Montz täglich aus dem Eiersammelraum. Bei insgesamt 345 Hühnern kommt ein Huhn damit auf durchschnittlich 0,7 Eier pro Tag und legt – entgegen des Ohrwurms des Berliner Vokalensembles – sonntags keine Extraschicht ein.
„Mit dem Ertrag sind wir sehr zufrieden. Die Hühner legen »gute« Eier, was mit dem natürlichen Umfeld und der Nahrung zu tun hat. Sie fühlen sich wohl. Und auch, dass es Hennen gibt, die hier leben und keine Eier legen, ist für uns in Ordnung“, erzählt Klaus Guthmann, der gemeinsam mit Wolfgang von Montz bereits darüber nachdenkt, wie man der überraschend großen Nachfrage nach Bischofsheimer Freilandeiern gerecht werden kann. Bei einem Hühnerzuwachs könnte das bisher rein weiße Eisortiment sogar durch braune Eier ergänzt werden – vorausgesetzt, braune Hühner ziehen im Tannenhof ein. „Momentan haben wir nur weiße Hühner. Weiße Hühner legen weiße Eier. Braune Hühner legen braune Eier“, erklärt Klaus.

 

Großer Dank an Volker Roth

Weil sowohl Klaus Guthmann als auch Wolfgang von Montz vorher wenig tiefgreifende Erfahrung mit Legehennen hatten, griffen sie in Sachen Hühner-Know-How auf einen Treburer Kollegen zurück. „Volker Roth ist Landwirt und hatte Jahrzehnte lang Hühner in Trebur. Wir sind dankbar, dass er uns mit seinem Wissen und Erfahrungen bei unserem Pilotprojekt zur Seite steht. Ohne ihn wäre diese unkomplizierte Umsetzung und der schnelle Erfolg nicht möglich gewesen“, sind sich Klaus und Wolfgang sicher.

 

Die Eier von Guthmann’s Hühnerhof gibt es zu 45 Cent in der Ginsheimer Hofreite (Rheinstraße 27) und im Laden des Bischofsheimer Tannenhofs (an der Landstraße zwischen Bischofsheim und Bauschheim).

Axel S.


„Ich wollt, ich wär ein Huhn, 

Ich hätt nicht viel zu tun

Ich legte täglich nur ein Ei

Und sonntags auch mal zwei“

Comedian Harmonists



„Umso mehr ein Huhn seinen natürlichen Bedürfnissen nachgehen kann, umso besser das Ei.“

Klaus Guthmann

Landwirt aus der Mainspitze




10.11.2022