Lieber klimaneutral als auf der Überholspur!

Erfahrungsbericht über den 30 Jahre alten Fiat Panda mit Elektromotor in Bischofsheim

Im ersten Moment hielt ich es für einen Scherz: „Voll elektrisch – voll gut!“ – las ich auf einem selbstausgedruckten Zettel, der im Seitenfenster eines 30 Jahre alten Fiat Pandas hing, der in Bischofsheim vor der Volksbank parkte. „Guter Witz“, dachte ich, bevor ich in den Kofferraum schaute und neun miteinander verbundene, große Akkus sah und gleichzeitig die Stimme des Besitzers hörte: „Dieser Elektropanda ist zwar ein Steinzeitauto, aber er bringt mich seit zehn Jahren von A nach B“, sagte Volker Zimmermann, der zu meinem Erstaunen nicht wie ein Autobastler aussah. Zudem hielt er sich – entgegen meiner Erwartung – mit fantastischen Geschichten über den Autoumbau zurück, sondern zählte sachlich die Vorteile des unscheinbaren Pandas auf: Autogröße, Reichweite und Geschwindigkeit reiche ihm und er sei froh, dass für seinen Bedarf kein neues Fahrzeug produziert werden musste. Eine spannende Begegnung, durch die ein Interviewtermin und dieser Artikel entstand. Viel Spaß mit der Geschichte über einen modernen Oldtimer, den respektvollen Umgang mit der Umwelt und Geldersparnis als Nebeneffekt.

 

Volker Zimmermann war Lehrer und unterrichtete in Flörsheim. Den einfachen Weg von rund 15 Kilometern legte er mit dem Motorrad zurück und verzichtete auf ein Auto. Nach drei Unfällen wollte er auf’s Auto umsteigen. „Für die 15 Kilometer brauche ich keinen SUV“, dachte er sich und kaufte dem Bischofsheimer Joachim Klein den Elektropanda ab. Joachim Klein stieß in Freiburg auf den – damals bereits zum E-Fahrzeugv umgebauten – Panda, verstand aufgrund seiner Expertise als Elektrotechniker bei Opel das Auto und kümmerte sich darum, dass es in Schuss blieb. „Die ursprüngliche Umrüstung vom Benzin zum Elektromotor dachte sich ein Bastler aus Münster aus. Er baute nach dem zweiten Weltkrieg Elektrorollstühle und nutzte dieses Wissen. Nachdem er sich den Panda mit normalem Benzinmotor 1992 kaufte, ging dieser leider bereits nach zwei Jahren kaputt. Um das Fahrzeug zu verkaufen, baute der Elektrotüftler einen Elektromotor und Akkus ein“, berichtet Volker Zimmermann. Offensichtlich verkalkulierte sich der Münsteraner, denn die Umbaukosten beliefen sich am Ende auf 14.000 DM. Eine hohe Summe, wenn man bedenkt, dass man zur damaligen Zeit einen VW Käfer für 9.900 DM bekam, wodurch der Panda herum stand und irgendwie nach Freiburg gelangte. Dort entdeckte der Elektrotechniker Joachim Klein das Auto und brachte es nach Bischofsheim.

 

Nicht auf die Überholspur

Seit 2011 befindet sich der Elektropanda in Besitz von Volker Zimmermann. Der seit einem Jahr pensionierte Lehrer für Biologie und Chemie bezeichnet sich selbst zwar nicht als Autobastler, sammelte aber im Laufe der Jahre so viel Erfahrung, dass sich seine Erzählungen wie eine Bauanleitung anhören. „Der Panda verfügt über einen 11 PS Elektromotor, statt des ursprünglichen Benzinmotors. Er hat eine vier-Gang-Schaltung und wird gefahren, wie ein anderes Auto auch. Die 13 Akkus (neun im Kofferraum, vier unter der Motorhaube) liefern die Power, die elektrisch dosiert wird“, so Volker Zimmermann, der Reparaturen mittlerweile entweder selbst durchführt oder die Komponenten, wie beispielsweise das Lade- oder Steuergerät, ausbaut und zu Fachfirmen sendet. Etwas kompliziert an der Konstruktion sei das Batteriemanagement und die Heizung. Neben den Akkus, die den Motor mit Strom versorgen, verfügt der Panda auch über eine normale 12-Volt-Autobatterie. „Normalerweise wird die Autobatterie über die Lichtmaschine geladen. Ich habe aber keine Lichtmaschine“, sagt Volker schmunzelnd. „Aus diesem Grund wandelt ein Transformator die 86 Volt der 13 Akkus in 12 Volt um und lädt die Autobatterie. Zum Wärmen ist ein Heizlüfter verbaut, der mit 86 Volt zurecht kommt“, so der Pandabesitzer.

Nach Friseurbesuch sieht die Konstruktion aus, die für das Enteisen der Scheiben zuständig ist. „Hier wurden zwei Föhne verbaut“, sagt Volker und fügt an, dass nur englische oder amerikanische Fabrikate genutzt werden können, da diese mit 120 Volt betrieben werden. 

Interessant ist, dass diese handelsüblichen Komponenten, wie Föhn und Heizlüfter im Winter einen guten Job machen. „Beim Golf meiner Frau dauert es bis zu 15 Minuten, bis es warm wird. Der Panda heizt sofort“, so Volker Zimmermann. Sehr dankbar ist Volker über die andauernde Hilfe von Vorbesitzer Joachim Klein, der ihm in „1001 Situationen“ half und sein Spezialwissen an Volker weitergab. „Lediglich bei Reifenwechsel und Bremsen konnten Autowerkstätten helfen“, sagt Volker Zimmermann.

Die Reichweite des Elektropandas beträgt rund 65 km, die er mit einer Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h zurücklegen kann, was u.a. an den Bleiakkus mit einem Gewicht von 360 kg liegen könnte, was Volker humorvoll kommentiert: „Wenn die Akkus ausgebaut sind, ist das Fahrzeug deutlich höher. Durch die 85 km/h kann ich auf die Autobahn – aber nicht auf der Überholspur“. Geladen werden die Akkus über eine herkömmliche Steckdose. Ein entsprechendes Verlängerungskabel liegt unter der Motorhaube.

 

Kostengünstig und Co2 neutral

„Ich bezahlte 4.500 Euro für den Panda. Für ein Auto, das mich zehn Jahre nach Flörsheim und zurück brachte  und immer noch fährt, finde ich das ok“, rechnet Volker, der pro Jahr nur 99 Euro an Steuer und Versicherung für sein Auto zahlt. Nicht unerheblich seien zwar die Kosten für die Erneuerung der Akkus in Höhe von rund 1.300 Euro. Diese fielen aber nur alle vier bis fünf Jahre an und stünden für ihn ebenfalls im Verhältnis. Dass seine Motivation, den selbstgebauten E-Panda zu kaufen und über ein Jahrzehnt zu pflegen,  nichts mit Geldsparen zu tun hat, wird deutlich, wenn er über das Fahrzeug seiner Frau spricht. Sie fahre täglich 100 km  mit ihrem Golf zur Arbeit. „Selbstverständlich würden wir als nächstes auch hier ein E-Auto anschaffen, aber zunächst fahren wir den Golf, bis er auseinander fällt“, sagt Volker, für den verschrotten, um ein neues Fahrzeug zu kaufen, ökologisch keinen Sinn macht. Investiert haben seine Frau und er in eine Photovoltaik-Anlage, die sich seit einem Jahr auf dem Dach befindet. „Dadurch fährt der Panda klimaneutral und wir decken 66 % unseren Hausstrombedarfs. In zehn Jahren haben wir die Investition raus, wobei das egal ist. Wichtig ist uns Co2 neutral zu sein“, erklärt Volker Zimmermann.

 

Irren könnte sich Volker mit seinem Schlussstatement. Darin sagte er: „Das Steinzeitauto ist keine Schönheit, mit dem man 18-Jährige beeindrucken kann – aber das will ich auch gar nicht“. Dass Statussymbole für ihn bedeutungslos sind, unterschreibe ich sofort. Dass junge Menschen seinen Ansatz, „direkt und indirekt wenig Umweltsauereien zu verursachen“ verstehen und schätzen, glaube ich hingegen schon. Die Zeiten, in denen Teenager durch die Bank weg nur darauf warten, endlich mit der Fahrschule zu beginnen, scheinen vorbei zu sein. Ich kenne einige junge Menschen, die auf ÖPNV setzen und genervt sind, wenn Eltern fragen: „Wann fängst du denn endlich mit dem Führerschein an?“ Es sind ebenfalls Teenager, die mit „Fridays for Future“ eine weltweite Umweltbewegung ins Leben riefen. Empfinden Volkers „Steinzeitauto“ also doch manche jungen Menschen als modernen Hingucker – im Gegensatz zu neuwertigen SUVs mit Allradantrieb, Entertainmentpaket und Massagesitzen? Immerhin ist Volkers E-Panda ein Unikat – und mit seiner Einstellung zum Umweltschutz ist er ganz offensichtlich nicht allein.

 

Axel S.



11.11.2021